Es ist gerade einmal ein paar Jahre her, da standen in schöner Regelmäßigkeit meist mehrere englische Klubs im Halbfinale der Champions League. Die Übermacht der Top-Teams aus der Premier League war beängstigend. Im Jahr 2013 zittert niemand mehr vor den Großklubs von der Insel. Im Gegenteil: Nach dem fulminanten 3:1-Erfolg des FC Bayern im Achtelfinal-Hinspiel der Königsklasse bei Arsenal London zittert Europa vielmehr vor dem deutschen Rekordmeister. Dabei kommt mit Pep Guardiola der vermeintlich beste Trainer der Welt erst nächste Saison nach München.
Oder heißt der beste Coach doch Jupp Heynckes? Jedenfalls hat sein Team vor 59.974 Zuschauern im Emirates Stadium eine Demonstration der Stärke abgeliefert, wie sie nicht alle Tage vorkommt. So dominant ist wohl noch nie eine deutsche Vereinsmannschaft auf englischem Boden aufgetreten. "Die erste Halbzeit war Fußball aus dem Lehrbuch, besser kann man nicht spielen", schwärmte Präsident Uli Hoeneß.
Bereits nach gut 20 Minuten war der Traum vom Weiterkommen für die Gastgeber so gut wie ausgeträumt. Toni Kroos (7.) mit einem wuchtigen und technisch perfekt ausgeführten Weitschuss sowie Thomas Müller (21.) per Abstauber in verblüffender Gerd-Müller-Manier brachten die stark aufspielenden Bayern schnell auf die Siegerstraße.
"Ich bin bei Ecken immer vorne drin und kann dann meine Reaktionsschnelligkeit ausspielen“, beschrieb Müller seinen Treffer und blieb bescheiden. "Den hätten einige andere auf der Welt auch rein gemacht." Der 23-Jährige wurde von einer Jury zum Spieler des Spiels gewählt. Diese Auszeichnung machte den ansonsten nicht auf den Mund gefallenen Müller dann fast sprachlos. "Das war eine Mannschaftsleistung und ich habe meinen Teil dazu beigetragen", brachte er dann immerhin noch hervor.
Müller leitete auch den Treffer von Kroos mustergültig ein. "Wir haben ein überragendes Spiel gemacht“, sagte Kroos. Mario Mandzukic (77.) mit seinem ersten Treffer in der Champions League zum 3:1-Endstand machte das Glück perfekt. "Das dritte Tor war ganz wichtig", sagte Bastian Schweinsteiger, der sich seine dritte Gelbe Karte im Wettbewerb abholte und im Rückspiel gesperrt ist. "Arsenal ist keine Laufkundschaft, man darf sie nicht unterschätzen", warnte der emotionale Leader vor allzu großer Selbstsicherheit.
Was möglich ist, zeigte sich nach dem zwischenzeitlichen Anschlusstreffer von Lukas Podolski (55.), als wütende Arsenal-Angriffe die Bayern dann doch noch in Verlegenheit brachten. Dass es überhaupt noch einmal spannend wurde, lag auch an Manuel Neuer, der nach einer Ecke am Fünfmeterraum erstarrte und Podolski ein Kopfballtor ermöglichte. "Wenn ich Torwart rufe, dann gehe ich zum Ball hin. Ich habe aber nichts gerufen, daher dachte ich, dass meine Mitspieler hingehen", erklärte der Schlussmann die Szene.
Zu diesem Zeitpunkt "mussten wir die Ärmel hochkrempeln", sagte Coach Heynckes. Am Ende war das Gegentor jedoch nur ein kleiner Schönheitsfehler eines ansonsten perfekten Abends. "Wir haben in der ersten Hälfte eine exzellentes Spiel gezeigt", lobte der FCB-Trainer seine Mannschaft, die von Beginn an das Heft in die Hand genommen und dem Gegner schnell den Schneid abgekauft hatte.
Am 13. März findet das Rückspiel in München statt. Zwar hat Arsenal-Coach Arsene Wenger die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben ("Manchmal können sich die Dinge schnell ändern"), aber kaum noch jemand zweifelt daran, dass der FC Bayern ins Viertelfinale einziehen wird. Sollte es so kommen, dann wird mit Manchester United nur noch eine englische Mannschaft vertreten sein, sofern sie sich gegen Real Madrid durchsetzen kann. Immerhin langte es in der spanischen Hauptstadt zu einem 1:1.
Bestätigt Borussia Dortmund seine Leistung aus dem Hinspiel (2:2 in Donezk), dann sind die Bundesligaklubs gegenüber den Vertretern aus der Premier League sogar in der Mehrzahl. Außerdem gibt es auch noch Schalke 04, auch wenn sie gegen Galatasaray Istanbul wohl nur Außenseiter sind. Wer hätte vor einigen Jahren überhaupt zu hoffen gewagt, dass die Bundesliga international wieder eine solche Rolle spielen wird? Von einer Trendwende zu sprechen, wäre noch zu früh. Aber die Art und Weise, wie sich insbesondere Bayern und Dortmund derzeit in der Champions League verkaufen, ist aller Ehren wert.
Quelle: t-online.de